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Dr. Christine Vogt
Direktorin LUDWIGGALERIE Schloss Oberhausen
Malerei als dynamischer Prozess (Katalogtext, Auszüge)

Die Malerei in den diversen Facetten ihrer Ausdrucksform, das ist das künstlerische Forschungsfeld, dem sich Katharina Lichtenscheidt seit Jahren konsequent und mit erstaunlicher Energie widmet. Dabei werden Farbklänge um die warmen Farben Rot, Gelb und Orange ebenso erkundet wie die kühleren Bereiche um Blau und Grün. Schwarz und Grau sind vielfach starke Strukturgeber, doch auch Weiß, das wir häufig als aufgesetztes Licht empfinden, kann diese Funktion übernehmen. Neben der Farbigkeit sind es die Strukturen, oft große informelle Schwünge, doch auch Wischungen und diverse andere Formationen, die den Bildern ihren eigenwilligen Aufbau verleihen.

Es sind dynamische Prozesse, in denen diese oft großformatigen Leinwände entstehen. Schichtungen, die aufeinander aufbauen, manchmal aber auch vom Wegnehmen leben, manchmal Überdeckungen zeigen, immer unerwartete Details aufweisen. Vom Großen ins Kleine, vom Makro- zum Mikrokosmos, vom als Ganzes betrachteten Farbklang bis zur nahsichtigen Einzelheit: die Malereien Katharina Lichtenscheidts breiten das große Spektrum der Malerei für den Betrachter, für die Betrachterin aus. Richtig hinsehen muss dann natürlich jeder selbst.
Die Arbeiten von Katharina Lichtenscheidt sind im besten Sinne unfigurativ. Der Begriff des Abstrakten würde die Malereien vielleicht schon zu stark einengen, da eben doch Anmutungen von Wolkenformationen, von duftiger Luft (wenn es so etwas überhaupt gibt) und materieller Umgebung erahnt werden können.

Eine Besonderheit zeigt sich, die in den Arbeiten von Katharina Lichtenscheidt immer wichtiger und intensiver wird: das Einarbeiten von Zeichnung. Klassisch dient sie als Vorentwurf für die Malerei, liegt unter der Farbe, tastet sich an den darzustellenden Gegenstand heran.

Nicht so hier. Lichtenscheidt benutzt die Farbe als Abschluss ihrer Malerei, setzt sie zum Schluss auf, gebraucht sie als finito. Dabei können die Zeichenmaterialien höchst unterschiedlich sein, Bleistift und Kreide sind nur zwei der eingesetzten Werkstoffe. Die Linie, das charakteristische Merkmal jeder Zeichenkunst, setzt sie autark oder als Kontur ein, manchmal streng, oft stark bewegt, wie sie ihre Malerei ebenfalls findet. Zufall und Plan scheinen eine Rolle zu spielen, manche Linien stehen für sich, andere begleiten oder verfolgen die malerischen Elemente. Dabei kann die Linie an- und abschwellen, kann scharfkantig oder weich zerfließend sein. Die große Freude am Experimentellen wird wiederum deutlich, die Malerin schafft es, der in ihrer Grundlage präzisen Zeichnung Freiheit und Spontaneität mitzugeben.

Die Arbeiten von Katharina Lichtenscheidt sind nah- und fernsichtige Werke, sie sind vielschichtig und durchdringend und erschließen sich in ihrer letzten Konsequenz erst durch genaues Hinsehen. Lässt man sich darauf ein, wird man mit großer Intensität belohnt.

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